“Wirtschaft 4.0 braucht Bildung 4.0” titelten Zeitungen und Onlineportale immer wieder in den letzten Monaten. Vor allem der Begriff Schule 4.0 war in allen Medien zu lesen und zu hören.
Ein Regierungsprogramm zur Digitalisierung des Schulsystems bleibt natürlich auch von der Bevölkerung nicht unkommentiert. Plötzlich hatte Österreich tausende Bildungsexperten, die sich zu Wort melden wollten. Manche waren sich sicher, die Zukunft ist digital, doch andere sahen die Digitalisierungsstrategie als “Todesstoß” für klassische Lehrmethoden. Konkrete Vorschläge, basierend auf den veröffentlichten Maßnahmen, die dem Begriff Schule 4.0 etwas Leben einhauchen würden, waren unter den Wortmeldungen allerdings wenige bis keine zu vernehmen.
Doch was steckt wirklich hinter all dem? Die Bausteine für so eine Strategie können vielfältig sein, von Programmieren lernen im Kindergarten, die Welt der Mathematik mit dem Tablet erkunden bis hin zu barrierefreiem Lernen von der Volksschule bis auf die Universität. Die digitale Bildung, sofern ihr auch mit offenen Türen begegnet wird, birgt großes Potential. Begeben wir uns also gemeinsam auf eine Reise in die Welt der digitalen Bildung. Starten wir diese am Anfang, bei der Frage nach dem Zugang in die digitale Welt des Wissens und der Fortbildung.
Dafür spielen gerade die schon angesprochenen technischen Aspekte eine tragende Rolle. Denn sind Infrastrukturen wirklich so weit ausgebaut und Technologien zugänglich genug, dass Wissen für alle Personen in adäquater Qualität und Form konsumiert werden kann? Von seinen Befürwortern wird E-Learning in den höchsten Tönen gelobt – einfacher Zugang, niedrige Kosten und unkomplizierte Handhabung sind die dabei auftretenden Schlagworte.
“Wirtschaft 4.0 braucht Bildung 4.0”
Auch wenn Österreich nicht unbedingt Vorreiter in Sachen E-Learning ist, hat es in diesem Punkt doch bereits aufgeholt und damit den Handlungsbedarf, eine passende Infrastruktur zu schaffen, erkannt. Etliche Schulen konnten im Rahmen der Umstrukturierung zur Neuen Mittelschule mit modernem, digitalem Equipment ausgestattet werden. Smart-Boards, fixe Beamer und W-LAN Anschlüsse zählen jetzt zur Grundausstattung. Damit hat es Österreich geschafft, zumindest die Basis für die digitale Bereitstellung von Wissen für die kommende Generation zu legen.
Eine technologische Basis gegründet zu haben, ist jedoch noch keine freie Bahn in Richtung “Wissen für alle”. Denken wir nur an komplizierte Online-Tutorials, deren Handhabung die eigenen Kompetenzen bei weitem überschreiten oder auch an kostenpflichtige Video-Vorlesungen von diversen Akademien. Ob wir Wissen also über digitale Kanäle konsumieren können, hängt von Faktoren wie Technologie, Zugang und Aufbereitung der Inhalte ab und ist bei weitem keine Selbstverständlichkeit. Ist der Zugang geklärt, geht es darum, Klischees und festgefahrene Standards aufzubrechen. Unsere Reise geht dabei über eine hügelige Straße, deren Hindernisse es zu bewältigen oder zumindest herauszuarbeiten gilt.
Ein Klassiker dabei ist die ewig währende Diskussion “Tausche Frontalunterricht gegen Individualförderung”. Diese innovativen Konzepte sind spannend und versprechen großes Zukunftspotential. Doch stoßen sie in der Praxis leider noch viel zu oft an ihre Grenzen. Dabei ist es im Grunde egal, ob es darum geht, dass Lehrpersonen nicht von ihren klassischen Lehrmethoden abweichen wollen, oder diese aufgrund fehlender Mittel und Infrastruktur schlichtweg nicht umsetzen können.
Ich persönlich sehe viel Potential für die Schulbildung Österreichs, wenn sie in Zukunft von unterschiedlichen elektronischen Lehr- und Lerntools profitieren darf. Doch es braucht eine gute Mischung aus klassischen Unterrichtsmethoden und neuen, innovativen Elementen. Denn auch das E-Learning und der dadurch forcierte Individualunterricht stehen nicht kritiklos auf weiter Flur. Von den bereits am Beginn der Reise gesprochenen “Voraussetzungskriterien” abgesehen, gilt es, auf das Potential und die Bedürfnisse der unterschiedlichen Schüler einzugehen . Fehlende Routine oder die Isolation von Klassenkollegen stehen in diesem Zusammenhang für mögliche negative Auswirkungen. Gerade im Hinblick darauf, dass sich Menschen Inhalte um 90 % besser merken, wenn sie sehen, hören, diskutieren oder selber etwas tun, lässt vermuten, dass eine Mischung diverser Methoden, die Zukunft sein wird.
Nun geht es vor allem um ein Umdenken, weg von nur einer einzigen Lösung, die alles abzudecken versucht, hin zu Mischlösungen aus diversen Strategien. Das ist der Moment, wo es offenen Türen und ein Miteinander braucht, bei dem alle Beteiligten an einem Strang ziehen.
Wir befinden uns nun am Höhepunkt unserer Reise. Wir haben den Start hinter uns gebracht – die technischen Aspekte geklärt sowie die holprige Klischee-Straße passiert und sind näher auf den Lernenden an sich eingegangen. Nun steht uns der spannende und schöne Teil bevor. Eine Wanderung voller neuer Eindrücke, Fantasien und Platz für neue Ideen und Anregungen.
Denn der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht unbedingt in der theoretischen Umsetzung, sondern bei der Grundfrage, ob unsere Schüler überhaupt bereit für diese Art des Unterrichts sind? Oder auch, ob die Maschinen soweit kompatibel sind, um sich auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler einzustellen. Und wenn nicht, welche Funktionen und Techniken noch notwendig wären, um diese soweit zu bringen.
Es gilt zuerst essentielle Punkte näher zu betrachten, wie: Wenn der Lehrende immer mehr durch Maschinen ersetzt wird, hat dies auch erhebliche Auswirkungen auf die Schüler. In Japan werden bereits Roboter anstelle von Lehrpersonen eingesetzt. Die Technologie ist natürlich bei weitem noch nicht so ausgefeilt, dass diese die Lehrer zu 100 % ersetzen können. Für die Schüler jedoch macht es Eindruck, was wiederum die Eigeninitiative und Neugier steigert. Hier darf aber nicht vergessen werden, dass es sich um kurzfristige Auswirkungen handelt. Denn umso länger der Roboter die Lehrerrolle einnimmt, umso stärker nimmt sein Neuigkeitswert ab und somit auch der Einfluss der Neugier auf das selbstständige Arbeiten. Aber wie geht der Roboter mit Aufmerksamkeitsdefiziten oder Leerzeiten um? Und wenn es hierfür eine Lösung gibt, inwieweit ist der Schüler kontrollierbar oder kann er sich den Anweisungen widersetzen?
Diese Fragen werden bei neuen Konzepten immer mehr in den Vordergrund gestellt. Ein Beispiel dafür ist der “Flipped Classroom”. Dabei handelt es sich um ein Projekt, welches im Rahmen eines Wettbewerbs, bei dem jährlich neue innovative Konzepte vorgestellt werden, präsentiert wurde. Bei den Projekten handelt es sich um Konzepte, bei denen eine Mischung aus Lehre durch Person und Maschine im Vordergrund steht. Beim “Flipped Classroom” können die Lernenden den Stoff zu Hause digital erlernen und der Unterricht wird für vertiefende Übungen genutzt. Der große Vorteil dabei soll sein, dass sich die Lernenden den Stoff in ihrem eigenen Tempo aneignen können. Das Erlernen von Grammatik wird beispielsweise aus dem Sprachunterricht ausgelagert, ohne, dass die Qualität leiden muss. Schüler bekommen nach Vorgabe der Lehrer individuelle Texte und Aufgaben, die sich an ihren Interessen und Stärken bzw. Schwächen orientieren. Aber auch Lehrer stehen als Zielgruppe im Fokus. Diesen wird z. B. eine Plattform geboten, auf der die Pädagogen ihre Unterrichtseinheiten organisieren können. Aber nicht nur der Aufbau wird organisiert, der Lehrer kann auch schnell erkennen, wer von seinen Schülern höhere Anforderungen braucht oder wer noch einmal etwas wiederholen muss. Doch kann das so tatsächlich umgesetzt werden? Diese Art des Lernens sollte auch ein starkes Maß an Eigeninitiative mit sich bringen. Daher muss der Fokus im Speziellen darauf liegen, sie für das Lernen zu begeistern und sie auch für eigenständiges Lernen zu motivieren. Hier setzen beispielsweise Konzepte im Bereich der 3D-Visualisierung an. Gerade im naturwissenschaftlichen Bereich sind diese Projekte am Vormarsch. Was jedoch nicht bedeutet, dass die Lehrpersonen dadurch nicht mehr gefragt sind, die Neugier und die Faszination des “Neuen” zu unterstützen und die Schüler zu motivieren. Denn auch das neueste und innovativste Konzept wird in der Zukunft einmal zum ganz normalen Alltag gehören.
Ich sehe in der digitalen Zukunft der Bildung mehr, als nur das Potential mit digitalen Endgeräten und Apps umgehen zu können. Gerne stelle ich mir vor, dass die Technologien eingefahrene Klischees aufbrechen und selbst gesetzte Grenzen aufbrechen können. Wie toll wäre es, wenn beispielsweise Menschen mit Handicaps durch bestimmte Lerntechnologien wirklich einen freien Zugang zu Wissen und Bildung bekommen. Schreiben lernen für blinde Menschen, Fremdsprachen studieren obwohl man taub ist, die Liste könnte endlos weiter gehen – das Potential, aus dem geschöpft werden kann, ist groß. Ich bin gespannt, auf das, was noch möglich gemacht werden wird und was uns noch erwartet.
Also: Zukunftsmusik oder bald Alltag? Wie schnell die digitale Bildung tatsächlich den Sprung in den Alltag schafft, haben wir auf unserer Reise nicht erfahren. Jedoch haben wir Stationen besucht, erforscht und gesehen. Es bewegt sich etwas. Es ist toll zu sehen, wie die digitale Welt und das Web die Entwicklungen in unserer Welt positiv beeinflussen. Auf den letzten Seiten ging es nun konkret um die Bildung, aber wenn Ihnen als Leser nun noch andere Bereiche in den Sinn kommen, auf die das zutrifft, hat dieser Artikel seinen Zweck weit mehr als nur erfüllt.
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