Collaborative Consumption – Die frohe Welt des Teilens

Kathrin Weiss

Collaborative Consumption, auch Sharing genannt, ist eine moderne Interpretation des Teilens, Tauschens, Verleihens, Vermietens und Verschenkens durch das Web 2.0. Nicht genutzte Gegenstände wie Kleidung, Werkzeug, oder auch ganze Häuser wechseln so auf einfache Weise ihren Besitzer. Neben diesen handfesten Dingen werden aber auch digitale Inhalte wie Online-Baupläne oder Software mit anderen kostenfrei geteilt.

Das Prinzip des Leihens und Tauschens ist nicht neu, Wohngemeinschaften und Büchereien gibt es schon lange. Eigentlich war es schon immer gang und gäbe, seinen Besitz mit anderen zu teilen, jedoch haben die Möglichkeiten des Internets dem Tauschen neues Leben eingehaucht. Durch das Netz wurde es möglich, Kommunikationsplattformen zu bilden, die sehr viele Menschen auf einmal ansprechen können. Zudem ermöglicht es einen schnellen und unkomplizierten Austausch zwischen den Teilnehmern. Laut der Studie Deutschland teilt hat schon jeder Zweite Erfahrung mit alternativen Konsumformen, wie dem Teilen eines Autos (Carsharing) oder dem Tauschen von Kleidung (auf Plattformen wie kleiderkreisel.de), gemacht. Mit – nach eigenen Angaben – etwa zehn Millionen Mitgliedern weltweit hat dabei die Reiseplattform couchsurfing.com die derzeit größte Community. Das Gastfreundschaftsnetzwerk lädt seine Mitglieder ein, ihr Sofa mit Reisenden kostenfrei zu teilen – so kann man günstig mit Locals Städte entdecken und neue Leute kennenlernen.

Wieso erfreut sich das Teilen des eigenen Besitzes aber gerade im Internet so großer Beliebtheit? Das Internet ist nicht nur als Möglichkeit, Wissen und Informationen auszutauschen, erschaffen worden, sondern es vereinfacht diesen Wissenstransfer auch in beispielloser Weise. Dadurch sind bei Wikipedia seit 2001 rund 33 Millionen Artikel in mehr als 280 Sprachen entstanden und Milliarden von Menschen greifen tagtäglich auf die Online-Enzyklopädie zu. Ein weiteres Beispiel ist Open Design, wie es etwa ein oberösterreichisches Designerkollektiv praktiziert, das die Familie Binder entworfen hat. Dabei handelt es sich um Sitzmöbel, die der Endverbraucher nach frei zugänglichen Plänen selbst zusammenbauen kann. Freie Verfügbarkeit ist auch das Prinzip des Betriebssystems Linux. Der Hauptinitiator, Linus Torwald, entschied 1991, den Quellcode von Linux öffentlich zur Verfügung zu stellen. Softwareentwickler auf der ganzen Welt entwickeln Linux seither gemeinsam weiter und es ist für jeden kostenfrei zu bekommen. Bislang ist die Open-Bewegung im Netz noch relativ klein. Linux etwa hat nur einen Marktanteil von einem Prozent und die geringe Verbreitung bringt natürlich auch gewisse Probleme mit sich. So wird so manche Hardware nicht unterstützt und Windows-Spiele laufen nicht immer. Auch bei Open Design wird von Kritikern zu bedenken gegeben, dass die Menschen sich meist fertige Produkte wünschen und nicht selbst Hand anlegen wollen.

Dennoch hat die Open-Bewegung das Potential, die Konsumkultur, wie wir sie kennen, ordentlich durchzurütteln. So kommt es langsam zu einem Umdenken – weg vom Konsumenten, hin zum Produzenten. Der Creative-Commons-Gründer Lawrence Lessig bezeichnet eine Gesellschaft, in der die Mehrheit nicht nur vorgefertigte Inhalte konsumiert, sondern sich auch selbst zu großen Teilen an der Erstellung dieser Inhalte aktiv beteiligt, als Read/Write-Gesellschaft. Diese neue Form der Gesellschaft steht dabei im Gegensatz zu der Read-only-Kultur des 20. Jahrhunderts, die laut Lessig Inhalte nur passiv konsumiert. Das Internet treibt damit eine gesellschaftliche Entwicklung der Partizipation und Zusammenarbeit voran, aus der heraus Phänomene wie Collaborative Consumption entstehen.

Der Grund für den Sharing-Boom ist aber nicht nur darin zu sehen, dass es einfach billiger ist, sich eine Bohrmaschine auszuborgen, anstatt sie zu kaufen. Die Bedeutung von Besitz unterliegt Veränderungen. Das 20. Jahrhundert stand im Zeichen der Hyper Consumption. Diese Ära steht für das Konsumieren von Gütern, die man nicht unbedingt für das tägliche Leben braucht, und dem damit verbundenen gesellschaftlichen Druck, diese Güter zu konsumieren, um damit Identität zu formen. Anhand der Collaborative-Consumption-Bewegung ist ein Trend zu weniger Konsum zu erkennen – ein Trend, den wir dringend brauchen. Sei es nun Wasser, seltene Metalle, oder Erdöl: die Ressourcen werden immer knapper, die Anzahl an Menschen steigt. Weniger Dinge neu zu kaufen hilft, Ressourcen zu sparen.

Collaborative Consumption steht dafür, ungenutzte Gegenstände gegen etwas zu tauschen, das man wirklich braucht, anstatt die benötigten Dinge einfach nur neu zu kaufen. Aufgrund seiner großen Beliebtheit ist der Sharing-Trend somit eine Chance, bewussteres Konsumieren in den Köpfen der Menschen zu verankern. Zugleich ist auch die soziale Komponente der Collaborative Consumption, der Austausch mit Gleichgesinnten, von großer Bedeutung. Wer mitmacht, wird zu einem Teil einer Bewegung und soziale Beziehungen entstehen. Laut Time Magazine gehört Sharing zu den zehn Ideen, die die Welt verändern werden, da es die Menschen in der „realen Welt“ einander näherbringt. Denn beim Couchsurfen und Auto-Teilen begegnen sich die Menschen von Angesicht zu Angesicht, das Internet dient dabei als Kommunikationsmittel, das diesen Austausch ermöglicht.

Diese große Beliebtheit des Sharings zieht natürlich auch Investoren an. Als Teil der frohen Welt des Tauschens und Teilens hat sich eine schnell wachsende Share Economy gebildet. Dabei handelt es sich um Unternehmen, deren Geschäftskonzept auf der gemeinsamen, zeitlich begrenzten Nutzung von Ressourcen, die nicht dauerhaft benötigt werden, beruht. Die Plattform Airbnb hat beispielsweise mittlerweile einen Marktwert von zehn Milliarden Dollar. War zu Beginn der Sharing-Bewegung Vertrauen noch die einzige Währung, so fallen nun immer mehr Gebühren an, um die Dienste der Plattformen zu nutzen. Die Betreiber begründen diese Veränderung meist damit, dass sie Personal bezahlen müssen, da die Größe der Plattformen sonst nicht mehr haltbar ist. Hier kommt es scheinbar zu einem Konflikt zwischen dem nachhaltigen Gedanken der Meins-ist-deins-Economy und dem kapitalistischen Konsumsystem wie wir es kennen. Die Ausprägungen des Sharings sind jedoch differenziert zu sehen. Es gibt auch Initiativen, die zwar nicht gänzlich kostenfrei sind, aber Positives im Sinn haben, wie zum Beispiel Open Education. Dieser Ansatz verfolgt das Ziel, hochwertige Bildung über das Internet für alle frei zugänglich zu machen. Der Zugang und das Lehrmaterial sind gratis, oft fallen Kosten, zum Beispiel für Zertifikate, an. Neben gewinnorientierten und Low-cost-Modellen gibt es Projekte im Netz, die sehr großen Wert darauf legen, ohne jeglichen Gewinn oder Kosten für die User auszukommen, beispielsweise foodsharing.de. Die Plattform engagiert sich für das Teilen von Lebensmitteln, die nicht mehr gebraucht werden, und möchte so dem Wegwerfen von Lebensmitteln entgegentreten. Einzig und allein ermöglicht wird das durch das Engagement tausender Freiwilliger.

Das Tauschen und Teilen hat durch das Internet eine neue Form gefunden, die immer mehr Eingang in die heutige Konsumkultur findet. Beispiele wie kleiderkreisel.de und couchsurfing.com sind für viele Menschen zu einem Begriff geworden und werden von diesen auch regelmäßig genutzt. Die Bewegung, die ihre Wurzeln in der Open-Bewegung hat, hat es geschafft, eine alternative Konsumform, die zu einem bewussteren Umgang mit Ressourcen aufruft, im Mainstream zu verankern. Selbst wenn Sharing in manchen Fällen auch zu einem lukrativen Geschäft geworden ist, so wird der Gedanke des Teilens weiterhin in vielen Projekten abseits vom Gewinn realisiert. Es bleibt zu hoffen, dass diese Projekte sich weiter vermehren und sich so immer mehr Menschen bewusst werden, dass sie sich aktiv engagieren können – sei es in einem eigenen Projekt oder als verantwortungsbewusster Konsument.


Quellen:

Botsman, Rachel / Rogers, Roo (2010): What’s mine is yours. The rise of collaborative consumption, New York.
Heinrichs, Harald (2013): Sharing Economy – Deutschland teilt. Online unter: http://www.leuphana.de/news/meldungen/titelstories/2013/sharing-economy.html
http://www.couchsurfing.com/about/about-us/
http://creativeregion.org/familie-binder-goes-online/
Lawrence Lessing (2008): Remix. Making Making art and commerce thrive in the hybrid economy. Online unter: https://archive.org/details/LawrenceLessigRemix und  http://www.fosdoc.de/downloads/OSP_lessig_freiekultur.pdf
http://content.time.com/ti08me/specials/packages/article/0,28804,2059521_2059717_2059710,00.html

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