Free and Open Source

Patrick Miklaszewicz

Vergegenwärtigt man sich die schier unüberblickbare Menge an Software, die sich in den letzten Jahrzehnten des Computerzeitalters hervorgetan hat, ist man dazu geneigt zu denken, dass es für jeden Verwendungszweck, für jede Sprache, für jedes Budget, ja sogar für jede Altersgruppe die passenden Anwendungen geben muss. [1] Und dennoch begegnen einem sowohl im privatwirtschaftlichen als auch im staatlichen Bereich immer die gleichen üblichen Verdächtigen. Spricht man in der Werbebranche beispielsweise von Bildbearbeitung, meint man eigentlich „photoshoppen“; lacht man sich ein schickes neues Tablet oder einen Laptop an, läuft mitunter ein Betriebssystem aus dem Hause Apple darauf und wird einem als StudentIn eine Seminararbeit auferlegt, so greift man beinahe reflexartig zu Microsoft Word. Dies mag nicht weiter gravierend sein, ist manches dieser Produkte doch durchaus zu Recht Branchenprimus und den Preis augenscheinlich wert. Insbesondere aber das letzte Beispiel sollte zu denken geben, denn warum gerade Microsoft Word? Wieso nicht ein beliebiges anderes Textverarbeitungsprogramm?

Proprietär vs. Free and Open Source

Wollte man den Markt für Softwarelösungen klassifizieren, so reicht er grob von proprietärer Software bis hin zu Free and Open Source Software (FOSS). Wobei man unter proprietärer Software jene Software versteht, welche die Nutzungs- und Weiterverarbeitungsrechte sowie Änderungen an der Software selbst gänzlich ausschließen oder zumindest stark begrenzen. Die Begriffe freie und offene Software hingegen sind zwar nicht synonym zu verwenden, gehen aber, was Nutzung und vor allem das Ändern und die Weiterverwendung anbelangen, konträre Wege im Vergleich zu proprietärer Software. Open Source Software soll dabei als quelloffene Software verstanden werden, freie Software eben als solche, die den NutzerInnen erlaubt sie für jeden Zweck zu verwenden, sie abzuändern und zu verbessern, um sie wiederum der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen zu können. Dabei werden quelloffene und freie Software nicht als konkurrierend oder unverträglich, sondern durchaus als gegenseitige Ergänzung in einer sozialen und philosophischen Bewegung gesehen. Eric Raymond proklamierte bereits Ende des zwanzigsten Jahrhunderts einen Paradigmenwechsel in der Informationsgesellschaft weg vom „Cathedral-Model“ hin zum „Bazaar-Model“. [2] Dabei setzt er die proprietäre Software mit dem Cathedral-Modell gleich und beschreibt sie als hierarchische Organisationsstruktur, mit klaren längerfristigen Plänen, die gegenüber Konkurrenten geheim gehalten werden. Quelloffene Software hingegen spiegelt sich im Bazaar-Modell wider und steht für ein dynamisches, chaotisches, offenes und demokratisches Netzwerk. Durch das Bazaar-Modell entstehen zunehmend Softwarelösungen, die den proprietären Produkten qualitativ und funktional überlegen sind. [3] Trotz dieser frühen Erkenntnis und dem ersichtlichen Mehrwert von freier und quelloffener Software dauerte es Jahre, bis FOSS auch im österreichischen Bildungswesen ein wenig Anklang fand. [4] Wie lange es tatsächlich dauern wird, bis sich FOSS und ihr Potential merklich und messbar etablieren, bleibt hingegen offen.

Doch warum ist das so? Sind es wirklich nur Nerds, die bei Mama im Keller sitzen und frenetisch in einschlägigen Internetforen gegen die US-amerikanischen IT-Großkonzernen mit ihrer proprietären Software wettern oder sind wir als UserInnen, also die zahlenden KundInnen, einfach zu weit weg von der Thematik, zu uninformiert, was Software anbelangt und nehmen daher den Status Quo hin? Informationen zu erfolgreich umgesetzten Projekten rund um den Globus lassen sich online mühelos finden. Die Website opensource.com stellt gar einen umfangreichen Leitfaden für freie und offene Bildung zur Verfügung. [5] Woran liegt es also, dass der Thematik rund um Free and Open Source Software hierzulande immer noch kaum politische Aufmerksamkeit geschenkt wird? Einerseits könnte argumentiert werden, dass es zu diesem Thema kaum belastbare Forschung gibt, es also an Grundlagen fehle, auf Basis derer diskutiert werden könne. Dass seitens der Politik aber zumindest ein gewisses Maß an Interesse an der Thematik besteht, zeigt das vom Bundesministerium für Bildung beworbene Projekt „desktop4education“. [6] Anderseits werden die Experten in den diversen für Schulen zuständigen europäischen Ausschüssen und Ministerien doch sehr wohl einen guten Grund dafür haben, dass man in der Schule den so genannten ECDL mit Microsoft Office-Produkten ablegt. „Das kennt man halt, das wird’s sicher noch länger geben…“; klar, diese Argumentation lässt sich schwer von der Hand weisen. Hat doch Microsoft schon 1989 sein Office-Paket veröffentlich und seither stetig nachgebessert. Open Source Derivate konnten sich als kostengünstige oder gar kostenfreie und quelloffene – also frei anpassbare – Alternative zu Microsoft Office aber erst um die Jahrtausendwende wirklich etablieren. [7] Vor allem große Unternehmen, die nicht mehr bereit waren proprietäre Software zu lizenzieren, waren damals von der Idee auf Open Source Software umzusteigen nicht abgeneigt. Doch gerade in dieser Zielgruppe war und ist es immer noch von großer Bedeutung, dass idealerweise alle MitarbeiterInnen sprichwörtlich an einem Strang ziehen. Ein Vorteil, dem die Open Source Community aufgrund ihrer Organisation oder eben dem Nichtvorhandensein selbiger seit Jahren hinterherhinkt. Sehr zum Leidwesen ihrer Verbreitung und Akzeptanz sowohl im privaten als auch öffentlichen Bereich. Geht es um die Ausstattung der MitarbeiterInnen mit den richtigen IT-Werkzeugen, so kann es eben in manchen Fällen durchaus Sinn machen, sich einem Unternehmen ganz und gar auszuliefern, wenn man im Gegenzug ein funktionierendes, einheitliches Softwarekonzept mit berechenbaren Preisen und Aufwänden erhält. Die Inhomogenität kann ein Nachteil für größere Anwendergruppen im wettbewerbsdominierten Umfeld sein, aber um jungen Menschen die Möglichkeiten der IT-Zukunft näher zu bringen, ist sie ein zu vernachlässigender Faktor. 

Warum also liegt der Fokus der Schulen auf proprietärer Software, wenn es doch mittlerweile ausgereifte Alternativen gibt? Weil Bildung zu Ausbildung wurde? Ausbildung in den Informations- und Kommunikationstechnologien darf aber eben nicht als Produktschulung, sondern als das Näherbringen von Lösungsstrategien bei Problemstellungen mit unterschiedlichen Hintergründen gesehen werden. Es hat fast den Anschein, als ob die Forderung nach guten Grundkenntnissen im IT-Bereich eigentlich nur bedeutet, dass man die gängigen Programme der großen, etablierten Softwareunternehmen beherrschen muss. Der Blick hinter die Kulissen, also Aufgaben zu verstehen, die geeignete Software dafür zu finden und diese dann optimal anzuwenden, wird als sekundär betrachtet. Doch gerade die Fähigkeit, verschiedene Probleme mit unterschiedlichen Lösungsstrategien in Angriff zu nehmen ist es, die in diesem schier unüberblickbaren Angebot an Software gefragt sein sollte, um Spitzenleistungen erbringen zu können. Denkt man diesen Gedanken kritisch, wenn nicht gar provokativ zu Ende, landet man aber auch bei der Frage, ob es so verwunderlich ist, dass die Angst davor, dass viele Arbeitsplätze automatisiert und schlussendlich von Computern respektive von Software ersetzt werden, zumindest teilweise systemverschuldet ist? Wenn das Resultat des vorgeschriebenen Bildungsweges nur in Konformismus endet, also in einem EndnutzerInnen einer Software „A“ von Firma „X“, wo bleiben Weitblick bei Entscheidungen, alternative Perspektiven, Neugierde und kritisches Hinterfragen von Arbeitsprozessen? Als mündige Bürger und Bürgerinnen einer Informations- oder Datengesellschaft, als die wir uns selbst nur allzu gerne darstellen, wirkt es fast so, als ob wir die Vorteile und Tragweite der Informations- und Kommunikationstechnologien nur sehr peripher wahrnehmen und nutzen.

Um den Nutzen dieser Technologien abschöpfen zu können, braucht es Menschen, die in Freiheit an Ideen und Problemen arbeiten können – Menschen, die das Rüstzeug dafür auch auf ihrem Bildungsweg erwerben können. Doch dafür braucht Bildung, wie viele andere Bereiche auch, Offenheit – Offenheit, die zu Diversifizierung führt. Offenheit, die es ermöglicht gültige Dogmen wie beispielweise die seit Jahren üblichen und immerfort erneuerten Lizenzvereinbarungen mit Softwareherstellern seitens der Ministerien zu hinterfragen. [8] Offenheit, die sich auch in der Auswahl der Werkzeuge, seien sie nun frei, quelloffen oder proprietär, für einen solchen Wandel widerspiegelt. Offenheit, die ein kritisches Reflektieren erlaubt und so vielleicht eines Tages zu einem besseren Verständnis der Softwarethematik beitragen kann –Verständnis, das unabdingbar ist, um den Unterschied zwischen fachgerechter und notwendiger Ausbildung einerseits und Bildung im allgemeineren Kontext andererseits zu erkennen. Verständnis, das auch klar macht, dass es bei Free and Open Source Software nicht darum geht, dass sie gratis ist, sondern dass sie frei ist. Denn gerade Freiheit ist ein Gut, welches in der modernen Technologiegesellschaft ein immer knapperes zu sein scheint.

Quellen:

[1] http://derstandard.at/2000034592418/Von-Netflix-ueber-Tesla-bis-zur-ISS-Ubuntu-ist-ueberall (25.06.2016)
[2] Raymond, E. S. (2002): The Cathedral and the Bazaar. http://www.catb.org/esr/writings/cathedral-bazaar/cathedral-bazaar/ (25.06.2016)
[3] Schwed, G. (2006): Open Source Software im Bildungswesen. http://www.ecomedia-europe.net/attachments/article/64/schwed-oss_in_education-text.pdf (25.06.2016)
[4] http://derstandard.at/2000014906780/Lehrer-fordern-Open-Source-fuer-heimische-Schulen (25.06.2016)
[5] https://opensource.com/education/13/4/guide-open-source-education (25.06.2016)
[6] https://www.bmb.gv.at/schulen/it/it_angebote/desktop4education.html (25.06.2016)
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Apache_OpenOffice#Geschichte (25.06.2016)
[8] https://www.bmb.gv.at/schulen/it/it_angebote/microsoft.html (25.06.2016)

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