Gruppenzwang 2.0

Thomas Sacher

Du hast online zu sein, du musst posten, du musst liken, du musst kommentieren, du musst sharen, du musst, du musst, du musst …

Aber eigentlich gibt es doch keinen Zwang sich eine digitale Identität zuzulegen und diese zu pflegen, oder doch? Für den absoluten Großteil der Jugendlichen besteht ein solcher Zwang jedoch aus verschiedensten gesellschaftlichen Gründen. Im Gegensatz zur Zeit vor der Digitalisierung und vor der allzeit mobilen Kommunikation, geschieht heute ein Großteil der zwischenmenschlichen Interaktion nicht direkt und persönlich, sondern zeitversetzt über soziale Plattformen.

Neben den offensichtlich auf Informationsaustausch getrimmten Medien wie Whatsapp oder dem Facebook Messenger, nutzen viele Jugendliche auch Instagram und Facebook. Letztere Plattformen dienen aber fast ausschließlich der digitalen Selbstdarstellung, dem Erschaffen eines „Fremdbildes“, welches möglichst genau jenem Bild entspricht, nach dem man gerne von seinem Umfeld wahrgenommen wird. Der Aufwand eine solche virtuelle Identität zu pflegen scheint der teils imaginären und oft sehr kurzlebigen Wirkung gegenüber, auf den ersten Blick jedoch maßlos übertrieben.

Als eines der großen Ziele so mancher Jugendlicher haben sich die Anzahl der Follower und die der virtuellen Freunde herauskristallisiert und es werden Stunden, Tage und manchmal sogar größere Mengen an Kleingeld investiert, um diese virtuelle Gefolgschaft zu vergrößern. Darüber wie man dies am besten erreicht, wurden bereits Bücher geschrieben, ja sogar ein ganzer Geschäftszweig ist daraus entstanden und es werden im großen Stil non-existente Follower-Bots verkauft um gegenüber realen Followern den Eindruck zu erwecken besonders wichtig und beliebt zu sein. Solch Unmengen an Freunden zu haben bedarf jedoch auch einer intensiven persönlichen Pflege dieser Kontakte. Nachrichtenanfragen, Geburtstagswünsche, Statusupdates oder auch das neueste Katzenvideo müssen beantwortet und kommentiert werden, um den Erwartungen der Community zu entsprechen. Der daraus resultierende, enorme Zeitaufwand gipfelt nicht selten in einer Onlinesucht welche das reale soziale Leben massiv beeinträchtigt.

Warum das Ganze?

Wir alle sehnen uns nach gesellschaftlicher Zugehörigkeit, sozialen Kontakten und vor allem nach Anerkennung durch unsere Mitmenschen. Die sozialen Medien sind dabei ein, auf den ersten Blick sehr einfacher Weg, sich mit einer großen Gruppe an Menschen zu vernetzten und für den auf den Plattformen präsentierten Lebensweg ein positives Feedback in Form von „Likes“ zu bekommen. Wie auch in vielen Studien nachgewiesen wurde, rufen diese „Likes“ in uns ein Glücksgefühl hervor, welches nach mehrmaliger Erfahrung eines solchen, immer wieder gefühlt werden möchte. Wie unschwer zu verstehen, hat dies auf unser Gehirn einen ähnlichen Einfluss wie Suchtmittel. Doch auch unser Informationshunger und die damit verbundene Angst etwas zu verpassen bewirken bei vielen Menschen ein permanentes Checken ihres Newsfeeds.

Warum viele Menschen so an sozialen Medien hängen, lässt sich also möglicherweise sehr leicht erklären. Der Umstand, dass dieses Abtauchen in die digitale Welt jedoch oft auf Kosten realer Interaktion geschieht, wirft jedoch die Frage auf, ob das permanente Pflegen unserer sozialen Identität die Gesellschaft nicht weiter auseinander-, als zusammenrücken lässt? Doch diese Frage wird wohl jeder für sich entscheiden müssen…

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Thomas Sacher
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