Sie heißen Bibi und Cathy. Sie verdienen Geld damit, Fotos, Videos und andere Medienformate in Sozialen Netzwerken zu posten, Einblicke in ihr (Privat)-Leben zu geben und damit vorwiegend junge Burschen und Mädchen auf Instagram, Blogs oder YouTube zu beeinflussen. Influencer!
Personen, die Einfluss und Macht auf eine Gruppe haben und so gesellschaftliche Trends setzen, stellen kein neues Phänomen dar. So gab es beispielsweise im 17. und 18. Jahrhundert bereits „Influencer“. Damals waren damit vor allem Staats- und Kirchenoberhäupter gemeint, später dann etwa die königliche Familie oder berühmte Schauspieler, die einen meinungsbildenden Einfluss auf die Gesellschaft hatten. Anfang der 2010er-Jahre hat sich eine neue Form der Influencer aufgetan: Jene, die im Internet zu finden ist – wie Bibi oder Cathy.
Die Bibis und Cathys stammen nicht – wie ihre Vorgänger – aus Adelsfamilien oder anderen einflussreichen Institutionen. Ihre Macht und ihr Einfluss drücken sich dadurch aus, dass sie 343.000 (Cathy Hummels) Follower auf Instagram oder 5 Mio. Abonnenten auf Youtube (Bibi Heinicke) haben, die sich Tipps in Sachen Mode, Beauty und Lifestyle holen bzw. abschauen. Und im Falle von Bibi auch in punkto Schwangerschaft und Baby. Die 25-Jährige wurde im Oktober das erste Mal Mutter, zelebrierte und vermarktete Baby und Schwangerschaft über Monate hinweg, begleitet von einem medialen Aufschrei. Natürlich wegen ihres Einflusses. Genauer gesagt, Bibis Einfluss auf ihre teils minderjährigen Fans. Vorrangig Teenie-Girls, die die Schminktipps der YouTuberin nachstylen, ihre Kosmetikartikel in großen Mengen kaufen und jetzt möglicherweise auch ein Kind wollen. Zumindest wurde und wird das von Eltern und Experten befürchtet.
Denn, Bibi macht nicht nur Beautyprodukte zu Geld, auch ein Kind wird bei ihr zum großen Geschäft. Experten sprechen von plus 50 Prozent Vermarktungspotenzial, Gratis Babyprodukte, Kinderzimmereinrichtung und zusätzliche finanzielle Unterstützung für die Neo-Familie. Was die Unternehmen dafür bekommen? Werbung! “Sie (die Influencer) bringen Werbung zur Zielgruppe, ohne dass es diese stört. Im Gegenteil, Werbung wird von der Zielgruppe freiwillig abonniert und gilt als cooler, authentischer, glaubwürdiger Tipp unter Freunden – ein Traum für die Werbeindustrie“, kritisiert etwa AK-Konsumentenschützerin Daniela Zimmer.
(K)ein Recht auf Privatleben
Dass die Werbung, wie im Falle von Fußballergattin und Influencerin Cathy Hummels, nicht immer als solche gekennzeichnet wird, ist für die Werbenden wohl Nebensache. Dass Meinungsmacher wie Bibi eine Schwangerschaft als Mega-Mädchen-Traum, ganz easy und unbeschwert, verkaufen und dabei womöglich auf die Kennzeichnung von Werbung vergessen, stört Unternehmen und Influencer nicht sonderlich.
Was aber stört, ist die Tatsache, das Bibi nach der Geburt ein paar Tage offline geblieben ist. Diese Abwesenheit machte ihr ein Teil ihrer Follower zum Vorwurf, schließlich hätten sie ja das Recht darauf, über die Geschehnisse im Privatleben der Influencerin informiert zu werden und selbst intimste Momente, auch die, der privaten Bibi, sozusagen live mitzuerleben. Genau mit dieser Diskrepanz zwischen online dargestellter und offline Realität beschäftigt sich Sarah Haubner in ihrem Kurzfilm „Is this aligned with my brand?“ und weist den Zuschauer darauf hin, dass viele User die Erwartung hätten, Personen seien exakt diejenigen, die sie online vorgeben zu sein. Heißt: Influencer müssten dieser Logik nach ungefiltert Privates vor ihren Fans preisgeben, ohne Privatsphäre, ohne Strategie oder Werbeindustrie im Hintergrund.
Influencer oder Marionette?
Die Frage, die sich angesichts dieses Abwesend-weil-Geburt-Falls stellt ist, ob Bibi und Co. wirklich so viel Einfluss haben oder nicht doch auch Marionetten der Werbeindustrie sind. Ihr Leben und Lifestyle wird zu großen Teilen von jenen diktiert, die dafür aufkommen. Das sind die Unternehmen, mit denen die Influencer kooperieren und für deren Produkte sie werben. Das sind aber auch die Fans, von denen der Werbewert der Influencer abhängt.
Ohne Fans keine Kooperationen, ohne Kooperationen kein Geld. Schließlich zahlen die Unternehmen den großen Influencern Tausender-Kontakt-Preise, die von der Reichweite und den Followern der Accounts abhängen, plus Tagesgagen und gegebenenfalls Produktions- und Reisekosten.
Ent-Täuschung
Anders sieht das bei den noch weniger bekannten Social-Media-Persönlichkeiten aus. Sie sollen für Postings oft „nur“ Gratis-Produkte wie Reisen, Kleidung oder Schminke zur Verfügung gestellt bekommen, ohne zusätzliche Bezahlung. Grund genug, den Followern die inszenierte Onlinewelt als Realität zu verkaufen?
Anna Vasof spielt im Kurzfilm „Mechanism of Happiness“ darauf an, dass Influencer, und Social-Media-Inszenierer im Allgemeinen, das selbe wollen: Reaktionen und Aufmerksamkeit. Sofia Braga kritisiert mit „Unsociable Networks“ und „Tinder for I am Single by Choice“ die Abhängigkeit von Likes und Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken. Dabei sind die Reaktionen, die den Usern online widerfahren längst nicht alle positiv. Laut Studien sind in Deutschland und Österreich rund 25% aller Jugendlichen schon einmal Opfer von Cybermobbing-Attacken in den sozialen Netzwerken geworden.
Und liegt hier nicht das eigentliche Problem? Vermeintliche Social Media, die nicht immer nur sozial sind. Und vermeintlich unabhängige Influencer, die selbst stark beeinflusst werden.
Influencer
Antonia Gantner
Artikel
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