Personalentscheidungen mit Big Data – Chance oder Gefahr?

Martina Auer

Alles beginnt mit dem ersten Klick: Personalentscheidungen werden nicht erst nach dem Zusenden unserer Bewerbungsunterlagen oder nach der Absolvierung eines Bewerbungsgesprächs getroffen, sondern fallen meistens schon viel früher. Seit der NSA-Affäre haben wir ein gewisses Bewusstsein dafür entwickelt, dass unsere Spuren im Netz Prognosen erlauben. Derartige Prognosen werden auch auf einer sehr persönlichen Ebene eingesetzt: Etwa, um Erfolg in bestimmten beruflichen Situationen vorherzusagen und somit Entscheidungen wie Einstellung, Beförderung oder Entlassung zu treffen. Mithilfe von Big Data bieten verschiedenste Unternehmen intelligente Systeme an, die Personalentscheidungen „erleichtern“ sollen.

Daten und Erfahrungen, die über bestehende MitarbeiterInnen zur Verfügung stehen, dienen dabei als Muster für die Vorhersage der Performance zukünftiger MitarbeiterInnen. Daraus lässt sich das Profil des optimalen Mitarbeiters bzw. der optimalen Mitarbeiterin ableiten (auch Profiling genannt). Je ähnlicher ein/e KandidatIn dem Profil besonders erfolgreicher MitarbeiterInnen ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch der bzw. die KandidatIn ein/e erfolgreiche/r MitarbeiterIn wird, so die Idee dahinter. Der Technologiedienstleister Xerox schätzt zum Beispiel kurze Arbeitswege. Dementsprechend stammt auch ein Großteil der Belegschaft aus dem nahen Umfeld. Wer laut Datenerhebung weiter weg wohnt als ein paar Kilometer fliegt bei der automatisierten Vorauswahl also durch. Auch die Mitgliedschaft bei sozialen Netzwerken wird unter die Lupe genommen: Ist ein/e BewerberIn bei vier oder mehr Communities registriert, ist schon in der Vorrunde Schluss.

Die HR-Beratungsfirma Evolv „hilft“ Unternehmen, auf Basis relevanter interner und externer Daten die Fähigkeiten, Berufserfahrung und jeweilige Persönlichkeit ihrer MitarbeiterInnen und BewerberInnen objektiv zu bewerten. Zusätzlich werden Vorhersagemodelle und Algorithmen für große Datenmengen verwendet, um Erkenntnisse zu gewinnen, Muster zu erkennen und die Leistungstärksten im Unternehmen aufzuzeigen. Evolv hat knapp 350.000 Ergebnisse von Assessment-Center-Durchläufen gesammelt, verbindet diese mit Daten über die Leistungen und den Karriereverlauf der MitarbeiterInnen und gelangt so zu statistisch untermauerten Erkenntnissen über die Eigenschaften erfolgreicher MitarbeiterInnen.

Das Startup ConnectCubed befasst sich mit der Vorhersage der zukünftigen Leistung von MitarbeiterInnen. Neue Softwares versprechen sogar, Kündigungen mithilfe von Big Data voraussagen zu können: Surft ein/e MitarbeiterIn verdächtig oft auf Jobbörsen und ist die Marktlage für seine bzw. ihre spezielle Expertise gerade besonders günstig, könnte das auf eine bevorstehende Kündigung hindeuten.

Problematisch wird es dann, wenn solche Daten den gesunden Menschenverstand ersetzen sollen. Wer hat im Zweifelsfall recht: Mensch oder Maschine? Klar ist, dass solche HR-Systeme, auch Roboter-Recruiting genannt, das Verhalten großer Gruppen statistisch vorhersehbar machen, das Verhalten des bzw. der Einzelnen aber nicht.

Einer, der dem aktuellen Trend wenig bis gar nichts abgewinnen kann, ist der deutsche Datenschutzexperte Thilo Weichert. Er warnt Personaler-Innen sogar vor dem Einsatz von Big Data: „Ich halte – ehrlich gesagt – vom Big-Data-Einsatz im Personalbereich überhaupt nichts. Personalentscheidungen sind höchstpersönliche Dinge, wo es um individuelle Erwartungen und Fähigkeiten geht. Derartiges ist über Big Data nicht in den Griff zu bekommen. Es gibt viel zu viele weiche Faktoren im Personalbereich, die per digitale Daten nur oberflächlich gehandhabt werden können. Auch bei der Nutzung von Daten aus öffentlichen Quellen ist absolute Zurückhaltung gefordert […]”. Weiters ist er der Meinung, dass die Nutzung ohne Einwilligung und Möglichkeit zur Einsicht und Kommentierung unzulässig ist und angesichts des Umstandes, dass im Netz und in vielen Datenbanken viel Schund vorhanden ist, die Gefahr einfach viel zu groß ist, dass auf Grund von falschen Fakten falsche Schlüsse gezogen werden.

BefürworterInnen der datengetriebenen People Analytics werfen nicht zu Unrecht ein, dass eine solche Objektivierung besser sei als weiterhin mit subjektiven Kriterien zu agieren. Der Einsatz von HR-Software könnte unter Umständen sogar dazu beitragen, Vorurteile und Diskriminierungen im Recruiting-Prozess abzubauen und stattdessen eine erhöhte Chancengleichheit anzubieten (beispielsweise in Bezug auf Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion, Aussehen, Alter und auch auf die Form der Bewerbungsunterlagen). Dem Computer sei es nämlich egal, ob ein/e BewerberIn männlich oder weiblich ist, woher die Person kommt und ob sie gröbere Brüche im Lebenslauf hat. Das eröffnet nicht nur Menschen, die sonst eher keine Chance auf einen neuen Job hätten, die Möglichkeit, wieder ins geregelte Berufsleben einzusteigen, sondern auch QuereinsteigerInnen, Karenzierten etc.

Das Problem hierbei aber ist, dass sich diese Systeme an der bestehenden erfolgreichen Belegschaft orientieren. Diese repräsentiert oft eine bestimmte Gruppe mit bestimmten Eigenschaften. MitarbeiterInnen eines IT-Unternehmens weisen zum Beispiel das folgende gemeinsame Erfolgskriterium auf: technische Oberstufe. Die Annahme, dass BewerberInnen für eine Stelle in diesem Unternehmen eher eingestellt werden, liegt dann nahe, wenn es sich um einen Mann (Großteil der SchülerInnen von technischen Schulen sind männlich) handelt. Diversity im Unternehmen ist so kaum möglich und führt zur Reproduktion der bestehenden Stereotype im Unternehmen.

Eine weitere Einschränkung gegenüber digitalen Profilen und Prognosen ist natürlich ihre mögliche schlechte Qualität, aber vor allem auch, dass unsere Spuren im virtuellen Raum wieder nur eine gewisse gesellschaftliche Praxis widerspiegeln. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich gesellschaftliche Ungleichheiten im Netz reproduzieren, ist also hoch und limitiert die Objektivität der Personenanalyse.

Die Auswahl der BewerberInnen ist wohl immer subjektiv, da auch beim Roboter-Recruiting „objektive“ Kriterien von Menschen mit bestimmten Zielsetzungen festgelegt werden. Letzten Endes liegt es immer noch am Menschen, dieses System, das Gleichberechtigung fördern könnte, mit den richtigen Auswahlkriterien auszustatten. Welche Eigenschaften der BewerberInnen dabei herangezogen werden, hängt immer mit der Frage zusammen: Wie sollen wir arbeiten? Und im weiteren Sinn: Welches Leben wollen wir? Wollen wir in einer Arbeitswelt leben in der Angestellte als soziale Wesen oder als Parameter zur Produktionsoptimierung und Gewinnmaximierung gesehen werden?

Quellen:
Digitale Überwachung – Studie
www.haufe.de – Datenschutz und Big Data
www.jobnews.at – Big Data und Hr
www.jobnews.at – Roboter Recruiting
www.huffingtonpost.de – Beobachtungen bei der Arbeit

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